Die Eucharistie mit den Schwestern von Kharkiv ist eine schöne Zeit des Gebets, der Danksagung und  des Singens, das Hoffnung und Leben überbringt.

Ich bin sehr gerührt von der Begegnung mit ihnen. Am Morgen haben wir uns ausgiebig über das ausgetauscht, was wir erlebt haben. Die Schwestern müssen mir sagen, was ihnen passiert ist. Die Panik, die Angst, den Klang lauernder Bomben, die Unsicherheit, ihr Widerstand wegzugehen, dann ein Exodus ohne Zeit zum Nachdenken und die Anwesenheit des Hirten, des Bischofs, der sich auf einer unsicheren Straße den Weg zu ihnen bahnt, die Eucharistie feiert, tröstet. Austausch in der Gemeinschaft mit unterschiedlichen Meinungen, Zweifel und Gebete um Licht. Und dann sagte der Bischof ein Wort, das alle schockierte: „Morgen früh müssen wir aufbrechen, die Gefahr droht“ (am Tag zuvor hatten sie beschlossen, trotz der Gefahr zu bleiben). Aber kurze Zeit später war es noch drängender und unumstrittener: „In einer Stunde sind die Autos an der Tür und man muss raus“. Das Allerheiligste muss konsumiert werden, und nur das Notwendigste kann mitgenommen werden, und dann der Aufbruch auf einem unsicheren Weg, der Gefahrenzonen möglichst vermeidet. Wie viel Angst haben sie, bis sie endlich in eine sichere Zone kommen, dabei ist sogar eines der beiden Autos verloren gegangen, und dann die Unruhe, bis sie wieder zusammenkommen. Stunden des Wartens an der Grenze, und endlich die Heimat zu verlassen, in der der acht Schwestern aus der Ukraine immer gelebt haben, und in der die drei polnischen und slowakischen Schwestern so lange gelebt haben. Als die Nachricht von den Gräueltaten der tschetschenischen und skrupellosen russischen Armee ankam, blieb nur noch die Flucht als Ausweg übrig. (In der Chronik der letzten Tage habe ich vieler Details ausgelassen, die aber meine Ohren und mein Herz nicht vergessen haben).

Ich höre zu, als sogar die Tränen flossen. Und in der Zwischenzeit ehren sie mich mit Osterliedern und einer Freude, die mich zum Weinen bringt, ohne zu verstehen, wie so viel Schmerz und so viel Leben möglich sind. Die Freude ist so groß, die sie über meinen Besuch empfinden, und ich über ihren Dank. Die Priorin weint, wenn sie erzählt, und auch die Schwestern.

Sie fragen mich, welches Wort ich ihnen mitgebe, um diese Zeit durchzustehen. Ich sage ihnen, dass das wichtigste JA im Jetzt wird, und dass Johannes vom Kreuz und Teresa von Jesus das Fruchtbarste in ihrem Leben in den trostlosesten und schwierigsten Momenten extremer Fragilität erlebten; dass, bevor ihr in das gelobte Land kommt, das Gott euch schenken will, dieser Moment, den ihr erlebt, ein privilegierter Moment der Verbundenheit und Hingabe ist. Wir sind hier im Karmel, um Leben zu geben. Und wir hätten nie gedacht, wohin uns der Herr führen würde, aber wir wissen, dass er unser Zuhause und unser unendlicher Trost sein wird. Der Karmel wird in den Stunden der Armut wiedergeboren.

Die Präsidentin der Föderation, die wie eine Mutter für sie war und alles vorbereitet hat, ist gekommen, und auch die Provinzoberin der St. Josefs-Schwestern, die sie an diesem Ort aufgenommen hat, und auch die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingsfamilien vorbereitet war.

Wir tauschen uns über viele Details aus, doch vor allem Umarmungen, die in dieser unsicheren Kälte so notwendig sind. Mir wurde eine schöne Figur Unserer Lieben Frau von der Ukraine geschenkt, die jetzt über meinem Bett hängt.

Wir verabschieden uns mit dem Segen, ich segne sie und fühle mich gesegnet. Sie verabschieden uns bis auf die Straße mit Gitarre und Trommel so voller Freude, dass ich gar nicht weggehen wollte. Der ganze Karmel ist in diese Verbundenheit einbezogen, und die ganze Ukraine darf sicher sein, dass der ganze Karmel ohne Unterlass und ohne Pause dafür betet, dass Friede werde.

Bevor wir Tschenstochau verlassen, statten wir den Schwestern dieser Stadt einen Besuch ab, die so begeistert auf den Segen in der Kirche warten. Ein sehr schneller und sehr froher Besuch.

Ich beende meine Reise durch die Länder der Ukraine und Polens. Ich werde nie vergessen, was ich erlebt habe. Es fällt mir schwer, alles zu verdauen, und die Hilflosigkeit angesichts des Erlebten macht sprachlos. Ich habe mich dazu verleiten lassen, ohne Angst zuzuhören, zu fühlen, zu weinen und mich von denen, die ich trösten wollte, umarmen zu lassen. Ich habe Mitbrüder umarmt, die stark wirken und viele trösten müssen, und ich habe mich für ihren Blick bedankt. Ich segnete eine junge Soldatin, die mich bat, für sie zu beten, bevor sie an die Front ging, und sie entwaffnete mich mit dem Lächeln einer jungen Frau, die alles verloren hat, was sie in ihrem Haus bei Mariupol hatte.

Danke für die Begleitung auf diesen schrecklichen Weg in das Zentrum des Krieges. Wir müssen mit den Waffen des Lichts vorbereitet sein, dass uns niemand das Lächeln und die Hoffnung nimmt; das ist der größte Schatz, den ich aus der Ukraine mitnehme. Sie sind nicht ein paar abgeschlachtete Arme, sie sind ein Volk, das aus seiner Asche auferstehen wird, weil sie Glauben haben und in ihrer Wunde uns alle zum Leben erwecken und uns aufrichten.

Danke für eure Gebete. Mein letztes Wort ist der Dank an die einfachen Menschen, die Mitbrüder, die Schwestern, und Danke für das Lächeln der Kinder und die Umarmung der Großmütter, die meine Hände fest gedrückt und geküsst haben. Mein Vergelt’s Gott an euch alle! Ihr sollt wissen, dass wir an Eurer Seite bleiben werden. Und die Liebe wird über Schrecken und Grausamkeit siegen.

Gott segne uns alle. „Friede sei euch, ich bin es,“ sagt Jesus, „Ich werde bei euch sein, jeden Tag bis zum Ende.“